Parodontologie (Zahnfleischbehandlung)

Was ist ein Parodontologe?

Parodontologen beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem Zahnhalteapparat (Parodontium), also mit dem Zahnfleisch (Gingiva), den Kieferknochen und dem dazugehörigen Bindegewebe. Der Zahnhalteapparat sorgt dafür, dass der Zahn fest im Knochen verankert, aber elastisch genug aufgehängt ist, um Kaudruck zu absorbieren. Gleichzeitig verhindert das Gewebe, dass schädliche Bakterien aus der Mundhöhle ungehindert in den Körper eindringen können. Parodontologen behandeln Entzündungen in diesen Bereichen und können in komplexeren Fällen plastische Operationen durchführen.

Parodontitis (oft fälschlich Parodontose) ist eine Entzündung des Zahnhalteapparats und eine der häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. Oftmals startet diese mit einer relativ harmlosen Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Auslöser sind schädliche Bakterien im Zahnbelag (Plaque), der sich am Zahnfleischrand ansammelt. Wird dieser nicht regelmäßig entfernt, können die Keime zwischen Zahn und Zahnfleisch nach unten wandern. Es bilden sich sogenannte Zahnfleischtaschen, in denen die Bakterien hervorragende Bedingungen zur Vermehrung vorfinden. Wird nicht gegengesteuert, zieht sich das Zahnfleisch zurück, Knochen baut sich ab, letztlich lockern sich Zähne und können ausfallen. Tückisch ist, dass der Prozess ist meist schmerzfrei verläuft. Patienten werden oft erst bei häufigem Zahnfleischbluten aufmerksam, bei unerklärlichem Mundgeruch, empfindlichen Zahnhälsen oder wenn die Zähne durch den Zahnfleischrückgang deutlich länger erscheinen. Parodontitis wirkt sich aufgrund des Entzündungsgeschehens negativ auf den gesamten Körper aus. Es gibt insbesondere Wechselwirkungen mit Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oft können parodontologisch ausgebildete Zahnärzte die Anzeichen einer allgemeinen Erkrankung bereits frühzeitig im Mund erkennen.

Grundsätzlich sind alle Zahnärzte in Deutschland dafür ausgebildet, Parodontitis zu diagnostizieren sowie leichte bis moderate Erkrankungen zu behandeln. An den Universitäten werden umfangreiche theoretische Kenntnisse sowie Diagnostik, Vorbeugung und nicht-chirurgischen Behandlung gelehrt.

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro e.V.) beklagt jedoch, dass Parodontologie an deutschen Universitäten weniger als fünf Prozent des Unterrichts ausmacht und keine operativen Verfahren (Parodontalchirurgie) gelehrt werden. In schwierigeren Fällen kann es daher sinnvoll sein, einen qualifizierten Experten aufzusuchen. Teilweise können heute parodontale Erkrankungen mit modernen minimalinvasiven Therapien behandelt werden. Es gibt aber auch Schnittstellen zur Allgemeinmedizin, Implantologie oder zur Oralchirurgie.

Wie findet man einen guten Parodontologen?

Für Allgemeinzahnärzte gibt es zahlreiche Fortbildungen im Fachbereich Parodontologie (oftmals in Kombination mit Implantologie). Bei Zahnärztekammern, privaten Instituten oder Fachgesellschaften werden berufsbegleitend Kurse oder Kursserien (Curricula) angeboten. Patienten können Angaben über derartige Qualifikationen als Auswahlkriterium für einen spezialisierten Parodontologen nutzen.

  • Das Curriculum einer Fachgesellschaft steht in der Regel für eine hohe Ausbildungsqualität. Beispielsweise sind im Curriculum der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) und der DG Paro rund 130 Ausbildungsstunden an 14 Fortbildungstagen zu absolvieren. Die Zahnärzte nehmen an einer Hospitation in einer Ausbildungspraxis teil und operieren unter Anleitung (Supervision). Insgesamt müssen drei eigene, komplexe Patientenfälle dokumentiert werden. Neben den Lernzielkontrollen zu jedem Abschnitt wird eine Abschlussprüfung verlangt. (weitere Infos)
  • Einige Kammern vergeben an Zahnärzte, die ein Curriculum abgeschlossen haben, sogenannte „Kammerzertifikate“ oder „Tätigkeitsschwerpunkte in Parodontologie“. Meist müssen dafür noch zusätzlich besondere Erfahrungen und eine nachhaltige Tätigkeit in diesem Fachgebiet nachgewiesen werden, beispielsweise durch eine erhebliche Zahl von Behandlungsfällen über einen Zeitraum von mehreren Jahren.
  • Zahnärzte, die sich gezielt spezialisieren, haben oft Fort- und Weiterbildungen mit einer Tätigkeit an einer Uni-Klinik oder im Rahmen eines Auslandsaufenthalts absolviert. Gut zu wissen: die Begriffe „Spezialist“ oder „Experte für Parodontologie“ sind nicht geschützt. Im Unterschied dazu bürgt der markenrechtlich eingetragene Titel „DG Paro-Spezialist für Parodontologie“ für einen Fachzahnarzt-Standard.
  • Fachzahnärzte für Parodontologie (nur im Kammerbezirk Westfalen-Lippe) haben ähnlich wie Kieferorthopäden, Oralchirurgen und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen eine dreijährige Weiterbildung mit mindestens einem Jahr an einer Universitätsklinik absolviert.

Welche Zertifizierungen und Titel gibt es für Parodontologen?

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro e.V.) gilt mit über 5.000 Mitgliedern als eine der größten Fachgesellschaften in der Zahnmedizin. Sie hat sich aus der Arbeitsgemeinschaft für Parodontoseforschung entwickelt, die bereits 1924 gegründet wurde. Ziele sind unter anderem die Förderung der Forschung sowie Fort- und Weiterbildung in ihrem Fachgebiet. Fortbildungen mit dem Label der Fachgesellschaft sind sehr hochwertig. Seit 2020 gibt es sogar die Möglichkeit für Prophylaxe-Fachkräfte zur Anerkennung als „Dentalhygieniker der DG Paro“. (weitere Infos)

Neben der DG Paro existiert seit 1992 die „Neue Arbeitsgruppe Parodontologie“ (NAgP e.V.) als  gemeinnützige Interessenvertretung für parodontologisch interessierte Zahnärzte mit rund 250 Mitgliedern. Die Arbeitsgruppe organisiert jährlich einmal eine Fortbildungsveranstaltung im größeren Kreis, zusätzlich kleine Fortbildungen in Praxen der Mitglieder sowie regelmäßig online. (weitere Infos)

1.      Master in Parodontologie (M.Sc. oder MAS)

Nach dem Zahnmedizin-Studium gibt es die Möglichkeit, Wissen und praktische Fähigkeiten im Fachgebiet Parodontologie mit einem Aufbaustudium zu erweitern - oftmals mit Komponenten aus dem Fachgebiet Implantologie. Denn Zahnimplantate im erkrankten Gebiss sind eine wichtige Option in der Therapie. Auch Entzündungen rund um ein Implantat (Periimplantitis) verlangen Expertise in beiden Fachgebieten. Daher werden derart kombinierte Masterstudiengänge (M.Sc.), nicht nur über die Fachgesellschaft für Parodontologie (DG Paro) (weitere Infos), sondern auch über Fachgesellschaften für Implantologie angeboten. (weitere Infos); (weitere Infos)

In der Regel sind diese Fortbildungen über zwei bis drei Jahre berufsbegleitend angelegt. Voraussetzungen sind ein anerkanntes Studium der Zahnmedizin und ein bis zwei Jahre zahnärztliche Berufserfahrung. Je nach Vorkenntnissen und bereits absolvierten Kursen können die Gebühren mehr als 30.000 Euro betragen.

Neben den Angeboten der Fachgesellschaften gibt es postgraduale Studiengänge mit dem Schwerpunkt Parodontologie an weiteren deutschsprachigen Hochschulen, beispielsweise in Berlin (in Kooperation mit der DG Paro) (weitere Infos), Freiburg  (weitere Infos),  Gießen (weitere Infos) oder Krems (Österreich). (weitere Infos)

An der Universität Zürich kann in vier Semestern berufsbegleitend ein „Master oft Advanced Studies UZH in Parodontologie“ (MAS) erworben werden. (weitere Infos)

Dagegen ist der „Master of Advanced Studies (MAS) in Parodontologie und Implantatzahnmedizin“ an der Universität Bern auf ein dreijähriges Vollzeitstudium ausgelegt. (weitere Infos)

2.      DG Paro-Spezialist für Parodontologie

In Deutschland existiert nur im Kammerbezirk Westfalen Lippe eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Parodontologie; die höchste Ausbildungsstufe in diesem Fachbereich. Daher hat die Fachgesellschaft DG Paro 1992 eine bundesweit zugängliche Weiterbildung zum „DG Paro-Spezialisten für Parodontologie“ ins Leben gerufen - mit identischen Inhalten zum Fachzahnarzt.

Insgesamt wird nach Studium und Approbation (staatlicher Anerkennung) eine ergänzende Ausbildung von rund 5.000 Stunden absolviert. Mindestens eines von drei Jahren sind an einer Fachabteilung für Parodontologie einer Universitätszahnklinik oder an einer ähnlichen Ausbildungsstätte abzuleisten. (Details siehe „Fachzahnarzt für Parodontologie“). Die Abschlussprüfung wird vor einer Kommission der DG Paro abgelegt. Der Titel ist markenrechtlich geschützt und kann auf dem Praxisschild geführt werden. (weitere Infos)

Absolventen der Studiengänge „Master of Science in Periodontology“ der DG Paro in Kooperation mit der Steinbeis Hochschule Berlin sowie „Master of Science in Parodontologie und Implantattherapie“ der DG Paro und der Dresden International University (DIU) können auf Antrag zu „DG Paro-Spezialisten für Parodontologie“ ernannt werden – ohne die normalerweise nötige dreijährige Weiterbildung. Dazu absolvieren die Studenten ein zusätzliches Programm mit gezielten Lehrveranstaltungen, Mentoring, Hospitation und Supervision über 1.800 Stunden. Dieses kann über mehrere Jahre aufgeteilt werden. Die ergänzenden Lehrveranstaltungen sollen die Zahnärzte befähigen, Falldokumentationen nach den Kriterien des DG-Paro-Spezialisten vorzulegen und in der mündlichen Prüfung (Kolloquium) zu bestehen. (weitere Infos)

Hochqualitative Ausbildungen (beispielsweise aus dem Ausland) oder Studiengänge können nach festgelegten Kriterien ganz oder in Teilen anerkannt werden. 

3.      Fachzahnarzt für Parodontologie

Die Ausbildung von Fachzahnärzten liegt in der Zuständigkeit der Bundesländer, welche diese hoheitliche Aufgabe an die Kammern als Berufsvertretung der Zahnärzte abgegeben haben. Bundesweite Fachzahnarzt-Weiterbildungen gibt es für Kieferorthopädie, Oralchirurgie sowie Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie. Seit 1983 existiert die dreijährige Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Parodontologie ausschließlich bei der Zahnärztekammer in Münster (Westfalen-Lippe). Nach einem allgemeinzahnärztlichen Jahr sind insgesamt drei Jahre fachzahnärztliche Weiterbildung abzuleisten, davon mindestens ein Jahr an einer Universitätsklinik. Am Ende wird die eigentliche Facharztprüfung mit einer genauen Dokumentation verschiedener Behandlungsfälle vor einem Expertengremium der Landeszahnärztekammer abgelegt. Die Qualifikation „Fachzahnarzt für Parodontologie“ ist gesetzlich geschützt und darf auf dem Praxisschild geführt werden. Sie ist gleichwertig mit dem „DG Paro-Spezialisten für Parodontologie®“.

Inhaltlich geht es um Vorbeugung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge aller parodontaler Erkrankungen, Parodontalchirurgie (beispielsweise Korrekturen von Lippen oder Wangenbändchen oder Rezessionen bei freiliegenden Zahnhälsen), aber auch um parodontologische Aspekte bei Implantatversorgungen.

Zum Dokumentation dient ein umfangreicher Behandlungs- und Operationskatalog. Auch Kenntnisse in Labor- und Röntgendiagnostik, Fachkunde in 3D-Röntgen (DVT), sowie dem Umgang mit implantologischen Auswertungs- und Planungsprogrammen sind nachzuweisen. Der künftige Fachzahnarzt für Parodontologie muss zudem an mindestens drei interdisziplinären Behandlungen oder Therapieplanungen mitgewirkt haben, beispielsweise in der Kieferorthopädie, der Prothetik, der Implantatversorgung oder bei umfangreicheren prothetischen Rehabilitationen.

Mindestens 90 Patienten müssen im Rahmen einer systematischen Parodontitistherapie behandelt worden sein. Dazu gehören Information, Motivation und Instruktion zur Mundhygiene, Reinigung von Zahnhälsen und Wurzeloberflächen unter- und oberhalb des Zahnfleischrands (supra- und subgingivales Scaling),  Re-Evaluation, weitergehende Therapie (chirurgisch oder medikamentös) sowie die Nachsorge.

Insgesamt sind während der gesamten Weiterbildung in 100 Sextanten (ein Kiefer: drei Sextanten) verschiedene chirurgische Techniken nachzuweisen, um beispielsweise einen Zugang zum Knochen zu schaffen (Mukoperiostlappen), erkranktes Zahnfleisch abzutragen (Gingivektomie), eine Rezession abzudecken (Mukosa-Lappen) oder einen Knochen zu konturieren. (Osteoplastik).

Dazu kommen Wurzelresektionen (Entfernung von Wurzelresten), aufbauende Maßnahmen wie Knochentransplantationen, gesteuerte Geweberegenerationen sowie chirurgische Eingriffe zur Korrektur von Weichgewebe (mukogingivale Parodontalchirurgie) und Operationen zur Vorbereitung prothetischer Maßnahmen (zum Beispiel chirurgische Kronenverlängerung).

Außerdem sind 200 Behandlungen im Rahmen einer unterstützenden Parodontitistherapie durchzuführen, unter anderem bei schweren Verlaufsformen sowie bei Entzündungen rund um Zahnimplantate. Einige Notfallbehandlungen, beispielsweise bei Abszessen oder nach Operationen müssen nachgewiesen werden, ebenfalls Behandlungen bei Risikopatienten mit Stoffwechsel- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumoren oder Diabetes.

Mindestens acht Implantationen (inklusive Knochenaufbau) gehören zum Behandlungskatalog, ebenso „restaurative Versorgungen“ (beispielsweise Kronen oder Brücken) sowie die Therapie von Mundschleimhauterkrankungen. (weitere Infos)

Fachzahnärzte für Parodontologie oder DG Paro-Spezialisten für Parodontologie sind somit die am umfangreichsten ausgebildeten Experten in ihrem Fachgebiet. Organisiert sind sie im Berufsverband der Fachzahnärzte und Spezialisten für Parodontologie (BFSP), den es seit 2004 gibt. (weitere Infos)

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