Was ist ein Kieferorthopäde?
Ein Kieferorthopäde (KFO) ist ein Zahnarzt, der sich auf die Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen spezialisiert hat. Voraussetzung ist das Studium der Zahnmedizin und die Approbation. Danach darf zwar grundsätzlich jeder Zahnarzt alle Behandlungen anbieten. Es gibt jedoch unterschiedliche Bezeichnungen, Grade oder Titel im Fachbereich Kieferorthopädie (siehe: Welche Titel gibt es in der Kieferorthopädie?)
Wer als „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ oder „Kieferorthopäde“ tätig werden möchte, muss nach einem Jahr als Allgemeinzahnarzt eine dreijährige Weiterbildung in anerkannten Praxen und Kliniken absolvieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der gesunden und ästhetischen Stellung von Zähnen und Kiefern. Das heißt, dass schiefe Zähne oder ein abweichender Biss korrigiert werden. In der Regel geschieht das durch Zahnspangen in verschiedenen Variationen. Bei Kindern und Jugendlichen sind das meist festsitzende Apparaturen (Drahtbögen), die mit Brackets vorne auf den Zähnen befestigt werden. Erwachsene bevorzugen zur Begradigung krummer Zähne normalerweise „unsichtbare Zahnspangen“, die auf der Rückseite der Zähne befestigt werden (Lingualtechnik) oder transparente Kunststoffschienen (Aligner), die im Alltag kaum auffallen. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang der Markenname Invisalign. Aligner gehören zu den herausnehmbaren, losen Spangen. Diese gibt es auch als sogenannte aktive Platten aus Kunststoff mit metallenen Halte- und Federelementen. In besonderen Fällen können die Zähne auch mit extraoralen Apparaten über einen Headgear (Kopfzug), eine Gesichtsmaske oder eine Kopf-Kinn-Kappe zur Kraftübertragung verbunden sein. Im Bereich der sogenannten ganzheitlichen Kieferorthopädie werden langsam wirkende, herausnehmbare Apparaturen wie der Bionator oder das Crozat-Gerät genutzt.
Darüber hinaus können Kieferorthopäden auch funktionskieferorthopädische Apparaturen (FKO) einsetzen, die nicht nur die Kieferform und die Stellung der Zähne anpassen, sondern auch die Lage des Kiefers optimieren. Ist das perfekte Gebiss einmal erreicht, gilt es die erreichte Form dauerhaft zu stabilisieren. Dann entscheidet der Kieferorthopäde je nach Fall über die Art eines sogenannten Retainers. Das kann ein dünner Metalldraht auf der Rückseite der Zähne sein, eine herausnehmbare Schiene für die Nacht oder der letzte verwendete Aligner.
Wie läuft die Aus- und Weiterbildung zum Kieferorthopäden ab?
Nach erfolgreich abgeschlossener Universitätszeit und Approbation absolvieren die künftigen Kieferorthopäden ein Jahr als Allgemeinzahnarzt. Damit sollen Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem Studium vertieft werden, insbesondere in den Fachbereichen vorbeugende (präventive) Zahnheilkunde, Parodontologie, Kinderzahnheilkunde, zahnärztliche Chirurgie, Zahnerhaltung und Prothetik sowie Notfallmedizin.
Danach kann die dreijährige fachspezifische Weiterbildung starten. Mindestens zwei Jahre davon müssen an derselben Weiterbildungsstätte abgeleistet werden. Ist die abschließende Prüfung bestanden, dürfen die Zahnärzte den Titel "Kieferorthopäde", "Zahnarzt für Kieferorthopädie" oder "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" führen. Das variiert je nach Bezirk der zuständigen Landeszahnärztekammer, ebenso wie die genauen Regularien und Inhalte der Weiterbildungsordnungen. (weitere Infos)
Beispielsweise muss in den meisten Kammerbezirken mindestens ein Jahr an einer dazu berechtigten Universitätsklinik absolviert werden. In Bayern erfolgt seit 2004 dieser Teil der zahnärztlichen Weiterbildung in dualer Form (Curriculum und praktische Tätigkeit). Das Klinikjahr entfällt. Das Curriculum wurde in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Universitäten gestaltet und umfasst mindestens 1.200 Stunden klinischer Weiterbildung. (weitere Infos)
Welche Titel gibt es in der Kieferorthopädie?
Ein Zahnarzt kann nach der zahnärztlichen Berufsordnung einen „Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie“ ausweisen, wenn er besondere Kenntnisse und Fähigkeiten sowie eine nachhaltige, mindestens zweijährige Tätigkeit im Fachbereich nachweist. Die Basis kann ein einschlägiges Curriculum (berufsbegleitende, strukturierte Fortbildung) sein. Hierfür gibt es verschiedene Institute als Anbieter. Dauer und Inhalte variieren. Entscheidend ist, dass ein Zahnarzt keine irreführende Werbung betreiben darf. Der Begriff „Praxis für Kieferorthopädie“ oder die Bezeichnung „Kieferorthopäde“ muss mit den jeweiligen erworbenen Qualifikationen genannt werden, um vom Patienten nicht mit dem üblichen „Facharzt für Kieferorthopädie“ verwechselt zu werden. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 114/20) (weitere Infos)
Der „Master of Science Kieferorthopädie“ (M.Sc.) ist ein akademischer Grad, der in einem postgradualen Studium nach dem eigentlichen Zahnarzt-Studium erworben werden kann. Die Kosten liegen je nach Anbieter zwischen 15.000 und über 30.000 Euro. An der Danube Private University im österreichischen Krems dauert dieses Aufbaustudium sechs Semester in Vollzeit. Dabei hat unter anderem die Behandlung von Erwachsenen einen hohen Stellenwert. Die Inhalte decken nach eigenen Angaben Prävention, Diagnose, kieferorthopädische Behandlung in allen Schritten, auch in Verbindung mit anderen Spezialfächern, beispielsweise Prothetik, Ästhetik, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Parodontologie, oder Sprachtherapie ab. (weitere Infos)
Die private DTMD University for Digital Technologies in Medicine and Dentistry in Schloss Wiltz, Luxemburg, bietet einen berufsbegleitenden Masterstudiengang Kieferorthopädie in vier Semestern an. Voraussetzung dafür ist die Approbation und mehrjährige Berufspraxis. Auch hier liegt ein Schwerpunkt auf der Behandlung von Erwachsenen. Zusätzlich wird mit der Integration neuer, moderner Behandlungsmethoden, etwa Alignern oder digitalem Apparaturendesign geworben. (weitere Infos)
An der Universität Bern gibt es einen „Master of Advanced Studies in Orthodontics and Dentofacial Orthopedics (M.Sc.)“, der als Weiterbildungsprogramm auf ein vierjähriges, strukturiertes Vollzeitstudium ausgelegt ist. Dieses umfasst wissenschaftliches und klinisches Arbeiten in der Praxis, Fallanalysen, Behandlungsplanung und Evaluation, ein Forschungsprojekt sowie Unterricht für die Studierenden der Zahnmedizin. Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Zahnmedizinstudium, mindestens ein Jahr Berufserfahrung sowie der Doktortitel. (weitere Infos)
An der Universität Duisburg-Essen (International Medical College IMC) kann in drei bis vier Semestern (Teilzeit) ein „Master in Specialized Orthodontics“ in deutscher und englischer Sprache erworben werden. Die Studienbewerber müssen sich entweder im zweiten Jahr der Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie befinden oder eine gleichwertige Ausbildung in einer kieferorthopädischen Praxis nachweisen. Denn in diesem Studiengang soll Spezialwissen über das Facharztniveau hinaus vermittelt werden. Dabei spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie eine große Rolle. (weitere Infos)
Der „Master Lingual Orthodontics" an der Medizinischen Hochschule Hannover ist ebenfalls eine ergänzende Qualifikation für einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Das Lehrangebot kann als Teilzeit-Studium mit vier Semestern Regelstudienzeit absolviert werden. Der Fokus liegt auf der Anwendungsweise „unsichtbarer“ Zahnspangen, bei denen der Zahnbogen auf der Rückseite der Zähne befestigt ist. (weitere Infos)
Auch an der Universität Basel können Zahnärzte mit einer anerkannten Spezialisierung auf Kieferorthopädie (Orthodontics) über zwei Jahre berufsbegleitend ein Master-Aufbaustudium „MAS Lingual Orthodontics“ absolvieren. Das Konzept bietet die Möglichkeit, in klinischer Umgebung mit den beiden häufigsten lingualen Anwendungssystemen digital und analog zu arbeiten. Das Programm umfasst in 24 Modulen und zwei Kompaktwochen insgesamt 1.800 Fortbildungsstunden sowie eine Abschlussarbeit (Masterthesis). Die Unterrichtssprachen sind Deutsch und Englisch. (weitere Infos)
Was lernt ein Facharzt für Kieferorthopädie?
Die theoretische Weiterbildung zum Kieferorthopäden umfasst – laut Musterweiterbildungsordnung der Bundeszahnärztekammer - reguläre Vorlesungen, Selbststudium, Fallplanungen und Fallplanungskonferenzen, außerdem Beiträge in Forschung und Lehre. Hierbei werden medizinische Grundlagen, Ursachen von Fehlbildungen sowie Kenntnisse in der Diagnostik und Therapie vermittelt. Insgesamt soll der spezialisierte Zahnarzt umfassendes Wissen und Fertigkeiten in der modernen, wissenschaftlich orientierten Kieferorthopädie erwerben.
Zur Diagnostik gehören unter anderem Abformungen, die exakte Vermessung des Kopfes (Kephalometrie) und die Erstellung von Modellen. Dazu werden bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT (Computertomographie), MRT (Magnetresonanztomographie) und DVT (Digitale Volumentomographie, dreidimensionales Röntgen) genutzt. Im letztgenannten Bereich muss der angehende Kieferorthopäde die Sach- und Fachkunde erwerben.
Eine große Rolle spielen Planung und Anwendung relevanter Behandlungsgeräte und -techniken, beispielsweise herausnehmbare Geräte (inklusive funktionskieferorthopädischer Geräte (FKO) zur Lageanpassung des Kiefers), Multiband- und Multibrackettechniken sowie extraorale Geräte zur Kraftübertragung außerhalb des Mundes. Dazu wird fundiertes Wissen über die biomechanischen Wirkungsweisen vermittelt.
Je nach Indikationen sind die jeweiligen Behandlungen nach funktionellen und ästhetischen Kriterien zu planen. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Oral- und Kieferchirurgen, Parodontologen und Prothetikern spielt eine Rolle. In den drei Jahren der Weiterbildung müssen mindestens 50 neue Patienten (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) mit unterschiedlichen Problematiken behandelt worden sein. Zum Abschluss ist eine mündliche Prüfung – ein einstündiges Fachgespräch – zu bestehen. (weitere Infos)
Gibt es weitere Spezialisierungen als Kieferorthopäde?
Es gibt mehrere wissenschaftliche Fachgesellschaften für Kieferorthopäden, die sich mit der Vorbeugung und Korrektur von Stellungsfehlern der Zähne sowie der Lage- und Formabweichungen der Kiefer befassen. Die älteste davon ist die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e.V. (DGKFO). Sie wurde 1908 gegründet und hat derzeit etwas über 3.700 Mitglieder. Ziel ist es unter anderem, die Forschung im Fachgebiet auch international zu fördern und zu verbreiten. Dazu gehört die Fortbildung der Mitglieder durch eine regelmäßig stattfindende Jahrestagung sowie die Pflege einer engen Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. (weitere Infos) Kieferorthopäden können sich nach der Facharzt-Weiterbildung auf spezielle Bereiche ihres Fachgebiets spezialisieren, beispielsweise die Behandlung von Erwachsenen oder auf Funktionskieferorthopädie.
- Eine Zertifizierung in einem speziellen Bereich ist über die Deutsche Gesellschaft für Linguale Orthodontie (DGLO e.V.) möglich. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft forscht und lehrt zum Thema innenliegende, unsichtbare Zahnspangen (linguale Zahntechnik). Zunächst als informelle Interessengemeinschaft gegründet, wandelte sie sich 1998 zu einer formalen Organisation mit etwas über 250 Mitgliedern. Gemäß der Satzung müssen alle Mitglieder innerhalb von fünf Jahren nach der Aufnahme mindestens zwei klinische Behandlungsfälle mithilfe einer lingualen Zahnspange in hoher Komplexität und nach vorgegebenen Kriterien vorlegen. Damit können sie als „Kieferorthopäden für linguale Orthodontie nach DGLO“ zertifiziert werden. (weitere Infos)
- Des Weiteren existiert seit 2007 die Deutsche Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO e.V.) mit derzeit 480 Mitgliedern. Ziel ist es einmal, die Vorteile der zunehmend populären drahtlosen Kieferorthopädie bekannter zu machen. Zum Zweiten engagiert sich die Fachgesellschaft in der Fortbildung und Forschung auf dem Gebiet der durchsichtigen Kunststoffschienen (Alignern). Jeder interessierte Kieferorthopäde oder kieferorthopädische Weiterbildungsassistent kann „Mitglied der DGAO“ werden und erhält das Siegel der Fachgesellschaft. Damit wird die Spezialisierung für Fachkollegen und Patienten deutlich gemacht. (weitere Infos)
- Die Gesellschaft für ganzheitliche Kieferorthopädie (GKO e.V.) gibt es seit 2012. Sie hat bundesweit rund 100 Mitglieder. Bei der Behandlung von von Kiefer- und Zahnfehlstellungen liegt der Fokus nicht nur auf Mundraum und Zähnen, sondern auf dem gesamten Körper. In der Regel wird das Ziehen gesunder Zähne zur Erweiterung des Platzes im Kiefer vermieden. Außerdem werden vorzugsweise langsam wirkende Apparaturen genutzt (Bionator, Crozat-Gerät). Im Behandlungsansatz sind Begleittherapien wie Osteopathie oder Logopädie ergänzend berücksichtigt. Kieferorthopäden müssen als „Mitglied der GKO“ Grundkenntnisse in bestimmten naturheilkundlichen Gebieten sowie dauerhafte Anwendung naturheilkundlicher Diagnose- und Therapieverfahren nachweisen. (weitere Infos)