Was bedeutet „Tätigkeitsschwerpunkt“, „Spezialist“ oder „Experte“ in der Zahnmedizin?
Weist ein Zahnarzt auf Praxisschild, Flyern oder im Internet eine Spezialisierung aus, kann der Patient grundsätzlich davon ausgehen, dass überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Gebiet vorhanden sind. Denn nach der einschlägigen Berufsordnung ist irreführende Werbung nicht erlaubt und kann sanktioniert werden. Bei Titeln und Bezeichnungen wird es komplexer. „Experte“ ist in der Regel kein geschützter Begriff.
Bei einem ausgewiesenen „Tätigkeitsschwerpunkt“ muss ein Zahnarzt einen Nachweis besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten bei den zuständigen Landeszahnärztekammern (LZÄK) erbringen. Andernfalls können berufs- und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen drohen. Entsprechende, anerkannte Fortbildungen sind dafür nötig, ebenso eine intensive, „nachhaltige“ Tätigkeit im gewählten Bereich über einen längeren Zeitraum (Richtwert zwei Jahre), manchmal auch nachgewiesene Mindestfallzahlen. Als Anhaltspunkt: Etwa 30 Prozent der zahnärztlichen Tätigkeit sollten auf den Tätigkeitsschwerpunkt entfallen. Es können bis zu drei Tätigkeitsschwerpunkte geführt werden. Die Voraussetzungen und Bezeichnungen orientieren sich meist an der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), können aber regional variieren. Nach der Anerkennung durch die Kammer muss weiter im Tätigkeitsschwerpunkt gearbeitet werden.
Der „Spezialist“ dagegen wird zunehmend zu einem zertifizierten Titel. Dafür setzen sich insbesondere die zahnmedizinischen Fachgesellschaften mit ihren sehr hochwertigen Fortbildungen ein. Allein eine ausgewiesene Mitgliedschaft in einer solchen Gesellschaft steht für Qualität, ebenso die Zusätze bei Tätigkeitsschwerpunkten oder Curricula, (geprüft nach …). Es werden aber auch Titel wie „Geprüfter Experte“ „Spezialist“ oder „Gutachter“ mit einem Zusatz der jeweiligen Gesellschaften vergeben. Zu nennen sind hier beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), diverse Gesellschaften für Chirurgie, Implantologie, Endodontie, Ästhetik, Parodontologie, Funktionsdiagnostik und mehr. Führt ein Zahnarzt eine Bezeichnung mit Zusatz einer Fachgesellschaft auf Briefbogen oder Praxisschild, kann man davon ausgehen, dass intensive, hochwertige Fortbildungen absolviert wurden. Das bietet Patienten und überweisenden Zahnärzten ein hohes Maß an Sicherheit.
Wie können sich Zahnmediziner spezialisieren?
Laut Musterberufsordnung für deutsche Zahnärzte sind Zahnmediziner gesetzlich verpflichtet, sich beruflich fortzubilden und ihre Kenntnisse dem jeweiligen Stand der zahnärztlichen Wissenschaft anzupassen. Dabei müssen fachliche, klinisch-praktische Fähigkeiten aber auch interdisziplinäre Kenntnisse aufgefrischt werden. In fünf Jahren sind mindestens 125 Fortbildungspunkte (CME-Credits) bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung nachzuweisen. CME ist die Abkürzung für Continuing Medical Education (kontinuierliche ärztliche Fortbildung). Werden zu wenige Punkte eingereicht, kann dies zu kontinuierlichen Honorarkürzungen bis hin zum Verlust der kassenärztlichen Zulassung führen.
Je nach individuellen Interessen können Zahnmediziner Schwerpunkte setzen und/oder sich auf ein bestimmtes Fachgebiet konzentrieren. Es gibt zahlreiche Anbieter für Fortbildungen. Diese müssen ihre Veranstaltungen von den Kammern anerkennen lassen, um CME-Punkte vergeben zu können. Damit die Qualität gesichert ist, wird Wert gelegt auf Relevanz und Niveau der Inhalte, Qualifikation der Referenten, die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen sowie die Umsetzbarkeit in der täglichen Arbeit.
Mit welchen Arten der Fortbildung können sich Zahnärzte spezialisieren?
Je nach Persönlichkeit und Ansprüchen gibt es unterschiedliche Ansätze zur Spezialisierung als Zahnarzt. Grundsätzlich trägt alles dazu bei, was der Erweiterung von Kenntnissen und Fähigkeiten im jeweiligen Fach dient. Dazu gehört das Selbststudium mithilfe von Fachliteratur, Podcasts oder Onlineportalen genauso wie der Austausch mit Kollegen in Qualitätszirkeln oder Studiengruppen.
Hin und wieder gibt es auch Möglichkeiten zu klinischen Fortbildungen, etwa Hospitationen und Fallvorstellungen. – All dies kann als Teil einer Spezialisierung anerkannt werden.
Weitere Formate zahnärztlicher Fortbildungen:
Spezielle Veranstaltungen
Immer wieder finden zu unterschiedlichen zahnmedizinischen Themen Kongresse, Seminare, Kurse, Kolloquien oder Demonstrationen statt. Veranstalter können Kammern, Fachgesellschaften, aber auch kommerzielle Anbieter sein. Derartige Fortbildungen sind meist punktuell angelegt. Die Dauer reicht in der Regel von wenigen Stunden bis hin zu maximal zwei Tagen (einem Wochenende). Der Praxisanteil ist - mit Ausnahmen - eher gering. Nicht immer gibt es eine gezielte Evaluation, etwa einen kurzen Abschlusstest über die Inhalte der Veranstaltung.
Curricula
Ein Curriculum ist eine strukturierte Fortbildung, die berufsbegleitend in mehreren Modulen über einen längeren Zeitraum absolviert wird. Damit werden viele relevante Inhalte in den gewählten Fachrichtungen abgedeckt. In der Regel sind theoretische, wissenschaftliche und praktische Teile in die Fortbildung integriert. Veranstalter sind spezielle Fortbildungsinstitute, die Zahnärztekammern, die zahnärztlichen Fachgesellschaften oder auch große Zahnkliniken. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Evaluation für die Teilnehmer, manchmal kurze Tests, ein Fachgespräch mit den Referenten oder eine Abschlussarbeit, etwa die ausführlichen Präsentationen eines Fallbeispiels. Curricula sollen eine Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten in einem bestimmten Fachgebiet ermöglichen.
Masterstudium
Ein Zahnarzt kann nach dem Abschluss seines Studiums ein postgraduales Aufbaustudium zum Master of Science (M. Sc.) wählen. Das ist berufsbegleitend in Teilzeit, aber auch in Vollzeit möglich. Universitäten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg bieten diese an. Master of Science für Parodontologie und Implantologie können beispielsweise auch über Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) oder die Deutsche Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI) erworben werden. Viele Universitäten arbeiten im Bereich der Masterstudiengänge mit Fachgesellschaften zusammen.
Masterabschlüsse sind mit einem hohen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden, bietet aber eine EU-weit anerkannte Qualifikation. Schwerpunkte können in eher klassischen Disziplinen wie Parodontologie, Implantologie, Prothetik, Kieferorthopädie oder Kinderzahnheilkunde gesetzt werden. Außerdem gibt es Spezialisierungen in Dentaltechnologie und Dentalmanagement, computeroptimierter Zahnheilkunde oder „Lasers in Dentistry“.
Vielfach wird der berufsbegleitende Masterstudiengang als Alternative zur Fachzahnarztausbildung gesehen. Absolventen von Masterstudiengängen können klassisch als Zahnärzte arbeiten. Daneben gibt es Chancen in der Industrie, Verbänden und Organisationen sowie in Forschung und Lehre.
Dr. und andere Abschlüsse
In Österreich können Absolventen das Studium der Zahnmedizin unter Umständen direkt mit einem Doktortitel verlassen. In Deutschland ist dafür zwingend eine Promotion nach speziellen Regularien vorgeschrieben. Viele Zahnärzte verzichten heutzutage darauf. In der Schweiz gibt es nach dem Bachelor-Abschluss ein Aufbaustudium zum „Master in Dental Medicine“. Die verschiedenen Titel sind meist akademischer Natur und für den Patienten nicht allzu relevant.
Wie wird ein Zahnarzt zum Fachzahnarzt?
Fachzahnärzte absolvieren nach einem Jahr als Allgemeinzahnarzt mehrere Jahre lang eine spezielle Weiterbildung – meistens in Vollzeit. Es gibt allerdings nur wenige Tätigkeitsschwerpunkte.
Für Patienten am relevantesten sind:
- (Fach-)Zahnarzt für Kieferorthopädie (Kieferorthopäde). Mindestens ein Jahr der dreijährigen fachspezifischen Weiterbildung wird an einer Universitätsklinik absolviert. Behandelt werden Fehlstellungen des Kiefers und der Zähne.
- Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Für Oralchirurgen ist während der dreijährigen fachspezifischen Weiterbildung ein bestimmter Katalog mit spezifischen Operationen an Zähnen, im Mund und im Kiefer vorgeschrieben. Sie müssen bestimmte Fallzahlen, etwa von Implantationen nachweisen.
- Fachzahnarzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie (MKG). In Deutschland hat ein Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg zusätzlich ein Studium der Humanmedizin absolviert. Daher kann er neben zahnmedizinischen, Eingriffen auch Operationen am Gesicht durchführen (beispielsweise nach Unfällen, bei Tumoren oder Fehlbildungen). Die fachspezifische Weiterbildung dauert vier Jahre. Bis zu zwölf Monate können in den Bereich Oralchirurgie fallen.
Sonderfälle sind
- Fachzahnarzt für Allgemeine Zahnheilkunde (Zahnärztekammer Brandenburg). Zahnmediziner mit diesem Titel haben sich drei fachspezifische Jahre in Vollzeit weitergebildet. Dabei müssen bestimmte Fallzahlen in der Konservierenden Zahnheilkunde, der Prothetik, Parodontologie und Kinderzahnheilkunde nachgewiesen werden. Dazu kommen 150 Stunden theoretischer Fortbildung.
- Fachzahnarzt für Parodontologie (Zahnärztekammer Westfalen-Lippe). Diese fachspezifische Weiterbildung dauert ebenfalls drei Jahre, mindestens eines davon an einer Uni-Klinik. Auch dazu ermächtigte kieferorthopädische Fachpraxen kommen als Ausbildungsorte in Frage.
- Frühere, in den neuen Bundesländern erworbene Bezeichnungen, etwa „Facharzt für Kinderstomatologie“ dürfen bundesweit geführt werden und sind auch in anderen Kammerbereichen anerkannt.
- Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen. Zahnärzten mit dieser Qualifikationsbezeichnung begegnet man vor allem in leitenden Stellungen bei Behörden. Auch deren Weiterbildung dauert im fachspezifischen Teil drei Jahre. Sie haben diese Zeit entweder in Einrichtungen von Hochschulen, Krankenhäusern, in Zahnarztpraxen oder in Sanitätszentren von Bundespolizei und Bundeswehr absolviert.