Behindertenzahnheilkunde

Was behandeln Zahnärzte für Menschen mit Behinderungen?

Grundsätzlich können Zahnbehandlungen bei Menschen mit Behinderungen von jedem Zahnarzt durchgeführt werden. Es kann ausreichen, dass eine Praxis barrierefrei ist, um den Zugang mit Gehhilfe oder Rollstuhl zu ermöglichen. Seh- oder hörbeeinträchtigte Menschen benötigen eventuell eine Begleitperson.

Doch die Bedürfnisse variieren je nach Art und Schweregrad körperlicher, seelischer und/oder geistiger Beeinträchtigungen sehr stark. Daher sollte man sich vorab über die Behandlungsschwerpunkte eines spezialisierten Zahnarztes für Menschen mit Behinderungen informieren. Je nach Therapiebedarf können alle zahnmedizinischen Fachdisziplinen in Frage kommen. Schnittstellen gibt es häufig mit der Kinder- und Jugendzahnmedizin, mit der Oralchirurgie, aber auch mit der Seniorenzahnmedizin. Häufig sind zusätzlich die Bereiche von Fachärzten, Physiotherapeuten, Logopäden sowie heilpädagogisch und pflegerisch Tätigen betroffen.

Zusätzlich zu einer offenen und positiven Haltung ist beim Zahnarzt Spezialwissen über angeborene und erworbene Behinderungen sowie über zahnmedizinisch relevante Allgemeinerkrankungen nötig. Ein Schwerpunkt in der allgemeinen Zahnheilkunde liegt auf Präventions- und Behandlungskonzepten für Patienten, die aufgrund Ihres Handicaps ein erhöhtes Risiko für Zahn- oder Munderkrankungen aufweisen. Körperliche und geistige Behinderungen werden primär zahnmedizinisch relevant, wenn Menschen nicht eigenverantwortlich und selbstständig für ihre Mundhygiene sorgen können. In der Zahnarztpraxis wird es schwierig, wenn die Kommunikation nicht in der üblichen Weise funktioniert.

Denn die Grundvoraussetzung für eine Behandlung ist der Grad an Kooperationsfähigkeit eines Patienten. Danach kann abgeschätzt werden, ob und in welchem Umfang beispielsweise Prophylaxe, restaurative Therapien oder Zahnersatz durchgeführt werden können. Die klassische Behandlung im Wachzustand wird daher in einer spezialisierten Praxis für Menschen mit Behinderung meist um Möglichkeiten der Sedierung oder Allgemeinanästhesie erweitert.

Motorische oder intellektuelle Einschränkungen sowie starke Angstzustände können große Herausforderungen darstellen. Fachlich und zeitlich bedeutet dies für den Zahnmediziner einen erheblichen Einsatz, der durch das Gesundheitssystem in der Regel nicht angemessen honoriert wird. Daher gibt es relativ wenige zahnmedizinische Experten für die Behandlung von Menschen mit Behinderungen. Bei beeinträchtigten Patienten mit Mehrfachbehinderungen, Fehlbildungssyndromen, Lähmungen, Spastiken oder Epilepsie gelangen oftmals selbst spezialisierte, niedergelassene Zahnärzte an ihre Grenzen. Dann bleibt nur der Besuch in entsprechenden Abteilungen von Universitätskliniken, beispielsweise an der Universität München. (weitere Infos)

Wie findet man einen spezialisierten Zahnarzt für Menschen mit Behinderungen?

Häufig werden die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftigen Senioren in einem Atemzug genannt. Das ist oft nicht passend, kann aber beispielsweise auf der Suche nach einem Zahnarzt mit barrierefreier Praxis ein guter Ansatz sein. (weitere Infos)

In einigen Kammerbezirken können Zahnärzte einen Tätigkeitsschwerpunkt für Behindertenbehandlung, auch Narkose- und Behindertenbehandlung ausweisen. Dafür müssen mehrere Jahre Erfahrung, eine erhebliche Zahl von Behandlungsfällen und eine nachhaltige, andauernde Tätigkeit in diesem Fachgebiet nachgewiesen werden.

Den ersten und bislang einzigen Lehrstuhl für behindertenorientierte Zahnmedizin gibt es an der Universität Witten/Herdecke (UW/H). Seit 1987 werden hier jährlich durchschnittlich rund 1.800 Patienten mit meist schweren Mehrfachbehinderungen zahnmedizinisch behandelt. Im Zahnmedizinstudium ist der Fachbereich „Behindertenorientierte Zahnmedizin“ verpflichtend integriert. Seit 2009 erhalten die Absolventen dafür ein spezielles Zertifikat. (weitere Infos)

Die „Deutsche Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf“ (DGZMB e.V.) existiert als Arbeitsgemeinschaft seit März 2016. Ein Vorläufer war die langjährig bestehende Arbeitsgemeinschaft "Zahnärztliche Behindertenbehandlung des Berufsverbandes Deutscher Oralchirurgen" (BDO).

Die DGZMB hat das Ziel, die Form der „Special Care Dentistry" in Wissenschaft, Forschung und Praxis zu fördern. Die Organisation veranstaltet Jahrestagungen, Symposien und Kongresse zur Fortbildung und zum  interdisziplinären Austausch. Mitglieder der DGZMB können Zahnärzte, Ärzte, sowie Vertreter anderer Berufsgruppen mit engem Bezug zur zahnmedizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf werden. (weitere Infos)